Kongress-Splitter

Einige von euch haben den Bundeskongress in Paderborn live mitverfolgt, einige die Berichte des Deutschen Schachbundes bereits gelesen. Darum hier nur einige kurze persönliche Eindrücke.

Nach der Eröffnung und den üblichen Formalitäten kam es gleich zum großen Knall. Der selbst nicht anwesende Vizepräsident Verbandsentwicklung im DSB und Präsident des Landesschachverbandes Mecklenburg-Vorpommern Guido Springer ließ eine „persönliche Erklärung“ verlesen, die mehr einer persönlichen Abrechnung mit DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach glich, statt einer sachlichen Erklärung. Ich betone noch einmal ausdrücklich, dass Guido selbst nicht anwesend war, um sich einer Diskussion zu stellen. Menschlich absolut unterste Schublade - klare rote Karte!!! Gut, dass Ingo Thorn, der Überbringer der Nachricht, vorher darauf hingewiesen hat, dass persönliche Erklärungen nicht zu kommentieren, sondern hinzunehmen seien! Fassungsloses Schweigen…

Nun zum Inhaltlichen.

Wahlen:
Die mit am meisten Spannung erwartete Wahl war die um das Amt des Präsidenten. Hier konnte Ingrid Lauterbach sich knapp mit 116 : 103 bei 9 Enthaltungen gegen ihren Herausforderer Paul Meyer-Dunker, Präsident des Berliner Schachverbandes, durchsetzen.
Eigentlich sollte es zu einer Stichwahl um das Amt des Vizepräsident Verbandsentwicklung zwischen Guido Springer und Jannik Kiesel kommen. Aufgrund der o. g. Vorkommnisse trat Guido nicht an und Jannik wurde gewählt. Jung, dynamisch und erfolgsversprechend.
Gerald Hertneck war als einziger Kandidat vorgesehen, sein Amt als Referent für Leistungssport weiterhin auszuüben. Auf dem Kongress verkündeter er jedoch, er sei amtsmüde und würde nicht mehr kandidieren… Allgemeine Überraschung! Warum solche Entscheidungen nicht rechtzeitig vorher verkündet werden, erschließt sich mir nicht. Glücklicherweise erklärte Carlos Hauser sich bereit, einzuspringen. Mit 37 Jahren verjüngt auch er die DSB-Funktionärsebene.
Für das Amt des Referenten für Seniorenschach, einer großen Gruppe im deutschen Schachbund, trat nach dem Rückzug Wolfgang Blocks aus gesundheitlichen Gründen mit Wolfgang Fiedler ein bereits im Vorfeld sehr umstrittener Kandidat an. Er wurde, ohne Gegenkandidat, mit nur ca. 27% der Stimmen nicht gewählt. Dann wurde nach einem Telefonat spontan Gerhard Meiwald vorgeschlagen. Auch er scheiterte mit 68 : 82 Stimmen bei immerhin 69 Enthaltungen. Vorläufig bleibt das Amt damit umbesetzt. Mittlerweile erklärte Wolfgang Cleve-Prinz sich bereit, das Amt zu übernehmen und wurde kommissarisch eingesetzt. (siehe DSB-Bericht vom 07.06.2025)
Bei allen anderen Wahlen wurden die Kandidaten mit überwiegend deutlicher Mehrheit (wieder-) gewählt.

Anträge:
Abgelehnt wurde der Antrag, im Jubiläumsjahr 2027 (150 Jahre Deutscher Schachbund) einmalig den ordentlichen Kongress im dritten Quartal im Rahmen der geplanten Jubiläumsveranstaltung rund um den 18. Juli stattfinden zu lassen. So wird in diesem Jahr wohl zweimal geladen werden…?
Die satzungsändernden Anträge von Carsten Karthaus (Schachverband Württemberg) zur Änderung der Grundsätze, der Gleichstellung, Vielfalt und Geschlechtervielfalt der Delegierten wurden alle abgelehnt bzw. zurückgezogen.
Mit dem Antrag bzgl. des Safe Sport Code wurde sich nicht befasst. Da er verbindlich erst bis Ende 2028 in die Satzung integriert werden soll, soll er überarbeitet und auf dem nächsten Kongress zur Abstimmung gestellt werden. Dabei geht es um Vorgaben (Selbstverpflichtung aller Mitgliedsorganisationen) von Seiten des DOSB.
Der Antrag bzgl. der Einführung eines zusätzlichen Vizepräsidenten Digitales und Sicherheit wurde mit 145 : 70 Stimmen bei 19 Enthaltungen knapp abgelehnt (2/3 Mehrheit bei Satzungsänderungen). Dabei musste erst einmal geklärt werden, wie die Enthaltungen zu werten sind… Ein aus meiner Sicht fatales Zeichen, denn gerade im Bereich Digitalisierung ist enormer Nachholbedarf vorhanden. Beispielhaft sei hier die immer noch manuelle Bearbeitung der Zahlungseingänge der Startgelder der über 3500 Teilnehmer der DSAM durch die chronisch überarbeitete Geschäftsstelle genannt.
Der Antrag zur Streichung der deutschen Pokal-Einzelmeisterschaft (Dähne-Pokal) wurde deutlich abgelehnt. Die zentrale Veranstaltung auf Bundesebene läuft hervorragend, alles andere ist Angelegenheit der Mitgliedsverbände.
Weitere Abstimmungsergebnisse sind im Bericht des DSB nachzulesen.
Vielleicht erwähnenswert ist noch, dass 2 Anträge nicht fristgerecht eingereicht wurden. Dort hätte das Präsidium besser vorbereitet sein können bzw. A. F., dem dies aufgefallen ist und der die Anträge auf Nichtbefassung gestellt hatte, vorab dem Präsidium Bescheid geben können.

Erfreuliches:
Nun möchte ich diesen Bericht noch mit etwas Erfreulichem beschließen.

Es wurden 4 Ehrungen an verdiente, dem Schach verbundene Personen verliehen:

Ingrid Schulz, seit vielen Jahren „Schachfotografin“, besonders bei der DSAM (silberne DSB-Ehrennadel)
Rainer Knaak, Senioren-Weltmeister 2024 (goldene Plakette des DSB)
Brigitte Burchard, Senioren-Weltmeisterin 2024 (goldene Plakette des DSB)
Raj Tischbierek, Schachjournalist und Herausgeber der Zeitschrift „Schach“ (Deutscher Schachpreis 2024)

Nach zwei Tagen „abwechslungsreichem“ Kongress kam ich am Sonntagabend um 23:39 Uhr mit dem letzten Zug nach Büsum zu Hause an und konnte doch noch im eigenen Bett schlafen.
Danke an das Unternehmen Zukunft, die Deutsche Bahn… 😊

DSB - Einleitender Bericht vom 31.05.2025
DSB - Abschließender Bericht vom 01.06.2025